Über uns

»es mega viel Spaß macht!« Gespräch mit Ilona Baum

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»es mega viel Spaß macht!« Gespräch mit Ilona Baum

Unser Konzert ist ein Konzert aus Anlass des 40-jährigen Bestehens der Freien Kantorei Duisburg und hat insofern sehr stark rückblickenden Charakter. Im Gespräch mit Ilona Baum geht es aber vor allem um die Gegenwart und die Zukunft unseres Chores:

Seit 5 Jahren bist du Chorleiterin der Freien Kantorei: was bedeutet es eigentlich für dich Chorleiterin zu sein?

Das ist der schöne Gegensatz oder die Ergänzung zum Klavierlehrer-Dasein. Man sitzt als Klavierlehrerin ja maximal zu zweit oder allein am Instrument, im Chor aber kann man mit einer Gruppe arbeiten. Das Singen hat mich von Klein an begleitet, und das kann ich nun mit einer ganzen Gruppe zusammen gestalten. Insofern ist es eine schöne Abwechslung, die auch ganz andere Interaktion ermöglicht.

Für die Freie Kantorei ist es sicher auch ein Geschenk, dass du keine Chorleiterin auf Reisen bist, sondern dass für dich die Freie Kantorei dein Instrument ist, auf dem du gewissermaßen als Chorleiterin spielst.

Das war auch für mich ein Glücksfall, denn ich war auf der Suche nach einem Ensemble. Früher hatte ich immer mehrere Chöre gleichzeitig geleitet, aber jetzt kann ich mich fokussieren. Ich hatte das Glück, mit der FKD ein Ensemble zu finden, das von der Besetzung her funktioniert, eine schöne Klanglichkeit hat, das gewohnt ist, auf das Dirigat zu reagieren, sodass dass es für mich Luxus ist, dass ich mich nicht aufteilen muss zwischen mehreren Chören, sondern mich auf die Freie Kantorei wirklich konzentrieren kann.

Welche Akzente sind dir in der Chorleitung besonders wichtig?

 Durch meine langjährige Mitgliedschaft in der Kölner Kantorei bin ich bestimmte Probenabläufe gewohnt, der Schwerpunkt ist grundsätzlich die Arbeit an der Stimme, der des einzelnen und auch dann im Zusammenklang in der Gruppe; es gibt ein Ideal für den Gesamtklang der Gruppe, das wir aus Schweden kennen, von der schwedischen Chormusik, und wir versuchen das nach und nach so weit als möglich umzusetzen Die Freie Kantorei ist da sehr sensibel und gestaltbar. Stimmbildung und Arbeit mit dem Körper, der ja das Instrument des Chorsängers ist, ist für mich deshalb sehr wichtig und mehr als eine Lockerungsübung am Beginn einer Probe.

Woher hast du die Ideen für deine musikalischen Projekte? Du hast ja den Chor in deiner Wirkungszeit mit Musik bekannt gemacht, die für alle Chorsänger und Sängerinnen unbekannt und neu war.

Verschiedene biografische Stationen haben mich Teil eines „Musikernetzwerkes“ werden lassen – schon aus meinem Musik-Leistungskurs sind fast ausnahmslos Profimusiker hervorgegangen, das ging in meinem Studium so weiter und schließlich in der Kölner Kantorei, die für mich fast wie eine zweite Familie ist. Mein Lehrer und langjähriger Chorleiter in der Kölner Kantorei, Volker Hempfling, hat mich stark geprägt. Er war immer am Zahn der Zeit, was Kontakte zu Gegenwartskomponisten anging. Viel Literatur wurde durch seine Verbindung von diesen Komponisten eigens für die Kölner Kantorei geschrieben und auf unseren Uraufführungen erstmalig in der Öffentlichkeit vorgestellt. Durch die Jahre der Arbeit in der Kölner Kantorei haben wir einen unglaublichen Fundus an Literatur, die wir kennen lernen durften. Natürlich mit dem Schwerpunkt der Gegenwartsliteratur, wir haben auch Romantisches gemacht und auch alte Musik, aber die Leidenschaft ging schon immer in Richtung „Avantgarde“; dadurch kenne ich Komponisten der Gegenwart und bin sehr geprägt durch die Klanglichkeit, die Volker Hempfling wollte. Das ist das Schöne, dass ich das jetzt weitergeben kann, soweit ich das leisten kann und eben auch an dieser Musik weiterarbeiten kann, die ich selber schon mal singen durfte.

Die Auswahl der Literatur, die wir singen, ist aber auch begründet durch die Vorlieben der Chormitglieder; es gibt Initiativen einzelner, aber wir haben in der Freien Kantorei auch einen Musikalischen Beirat als Gremium, der die Vorschläge aus dem Chor bündelt: manchmal werden Komponisten benannt, manchmal auch spezielle Werke, Oratorien; auch auf YouTube und anderen Plattformen ist anspruchsvolle A Capella Musik zu hören und reizt, ins Repertoire aufgenommen zu werden.

Ist es ein Problem, wenn jemand zum Chor dazu stößt, der noch keine lange Chortradition hat?

Grundsätzlich ist das überhaupt kein Problem, weil jeder Sänger auf seine Art eine Bereicherung für den Chor ist, durch seinen Charakter und seinen Stimmklang. Der entscheidende Unterschied zwischen Chor und Orchester ist es ja, dass im Orchester normalerweise Menschen sitzen, die viele Jahre ihr Instrument geübt haben. Wenn jemand in einen Chor hinein kommt, sind es komplett unterschiedliche Grundvoraussetzungen, die jeder mitbringt. Ob jemand zum Beispiel Gesangsunterricht hatte, im Gottesdienst oder unter der Dusche gesungen hat. Jeder bringt seine Fähigkeiten mit ein und lernt bei jeder Probe dazu. Wir haben in der Freien Kantorei professionelle Musiker, die Musik studiert haben mit unterschiedlichen Instrumenten oder die auch eine Gesangsausbildung hatten. Es gibt auch Mitglieder, die wenig Chorerfahrung haben, aber eben mit Spaß und Engagement dabei sind. In jeder Probe kommen wir immer Schritt für Schritt weiter, weil die Gruppe eine flexible Klanggestaltung hat, an der wir gemeinsam arbeiten. Jeder wirkt am Klangbild mit, und wenn er vorher zum Beispiel noch nie gesungen hat, braucht er natürlich eine gewisse Zeit um reinzukommen, weil es schwierig ist, die Verbindung von Text und Tönen im Singen zum Ausdruck bringen. Aber jeder kann für sich dazu lernen und immer weiter den Klang mit unterstützen, und dann ist es halt ein Superteam: der eine kann schon einiges, der andere findet nach und nach rein. Wenn wir auswendig Literatur singen, und jemandem fehlt ein Wort, dann weiß das aber die Nachbarin oder der Nachbar; das merkt niemand, weil man insgesamt immer von der Gruppe getragen wird. Dieses gemeinsame Klingen und Schwingen und auch das gemeinsame Atmen, schon aus Gesundheitsgründen was wissenschaftlich mittlerweile in unzähligen Studien immer wieder bewiesen wird, einfach die Erfahrung, dass einem das gut tut und dass es mega viel Spaß macht – das ist halt das Besondere am Chorsingen, was niemand von uns missen möchte.

Was sind denn deine nächsten musikalischen Pläne?

Als nächstes planen wir ein Programm mit dem Titel „Spheres“, das Werke beinhaltet, die bestimmte klangliche Flächen haben, und die in der Konzertkonzeption so angeordnet sind, dass sie gewissermaßen von der Erde in den Himmel führen. Wir haben schon einmal von Ešenvalds „Stars“ aufgeführt; das wird das Ziel des Programms, das mit diesem Werk in den Himmel führt. Den Weg dahin legen wir im Konzert über verschiedene Stufen und Musikstücke zurück, zum Beispiel mit ‚Bogorodize Dyiwo‘ von Sergei W. Rachmaninow, ‚Ubi Caritas‘ von Maurice Duruflé, dem ‚Earth Song‘ von Frank Ticheli und dem ‚Lux Aeterna‘ von Edward Elgar. 

Es sind Stücke, die eine bestimmte Klanglichkeit haben und in einem großen Raum mit einer halligen Akustik musikalische Clusterformationen ergeben. Das ist die nächste Idee.

Aus dem Chor selber kommt die Anregung, das Werk von Dan Forrest „Requiem for the living“ aufzuführen. Das ist ein tolles Stück, das wir gerne in Kooperation mit einem jungen Kammerchor aus Trier realisieren möchten. Das wäre ein Programm, dass man auch mit jungen Leuten, die rhythmische Musik, z.T. sogar mit Filmmusikcharakter mögen, vielleicht realisieren könnte.

Es gibt immer wieder Literatur, die vom Chor gewünscht wird, wie zum Beispiel auch Bach-Motetten oder ein Oratorium. Da fehlt uns fast die Zeit, das alles umsetzen zu können; wir wollen unsere Konzertplanung aber gerne abwechslungsreich gestalten, sodass auch jeder irgendwo und irgendwann sein Highlight musizieren kann.

Im heutigen Konzert führt die Freie Kantorei Musik aus ihrem in vierzig Jahren gewachsenen Repertoire auf. Wie hast du denn da eine Auswahl getroffen?

Als die Überlegung anstand, ein Jubiläumskonzert zu entwerfen, war ich bei Bernhard Quast, der ja als Gründungs-Chorleiter weit über drei Jahrzehnte hinaus den Chor geleitet hat, und habe mit ihm besprochen, was er gerne aus dem Fundus hören bzw. singen würde; die Literaturliste des Chorrepertoires ist ja ausgesprochen lang und umfassend. Das war mir auch ein persönliches Anliegen, denn für mich bedeutet dieses Konzert vor allem auch ein Dankeschön an den Gründungs-Chorleiter, der diese musikalische Gruppe geformt, zusammengehalten, weiterentwickelt und erneuert hat. Bernhard hat eine Liste ausgesucht mit kleinen Stücken, die er spannend und für den Anlass passend fand. Diese Liste habe ich zugrunde gelegt und eine Auswahl getroffen und nur zwei Stücke hinzugefügt, nämlich das Werk von Duruflé und von Miškinis. Dann war eigentlich nur noch die Überlegung, wie man diese Stücke aus ganz unterschiedlichen Epochen und ganz unterschiedlichen Stilen verbinden kann. Diese Verbindung stellt in unserem Konzert der Saxophonist Thomas Käseberg mit seinen Saxophonimprovisationen her. In der Zusammenstellung befinden sich auch zwei Stücke mit Klavierbegleitung, bei denen uns Anja Speh unterstützt. Mit einer Bach Toccata wird sie zusätzlich brillieren und und ihre Fähigkeiten als Pianistin, die uns auch bei unseren Probentagen am Klavier begleitet und unterstützt, vorführen. Da es auch schön ist, mit dem Publikum zusammen zu musizieren, haben wir uns einen Konzertabschluss einfallen lassen, der alle Beteiligten verbindet und einen fröhlichen Abschluss und Ausblick bietet: Mit „Smile“, was im Zusammenklang mit Saxophon, Klavier und Chor prima passt, wollen wir das Konzert beschließen.

 

Vielen Dank für das Gespräch

Das Gespräch mit Ilona Baum führte Ulrich Rauter

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